Adolf Pinner

von G. Kraemer

Berichte d. Deut. Chem. Gesellschaft XXXXII (1909), 4989-5000

Teil V (s. 4998-5000)

Was ihn jederzeit auszeichnete und sich in den vielen ämtern, die ihm anvertraut wurden, betätigte, war nicht nur dasgroße Pflichtgefühl, sondern auch die Kunst, sich die Denkweise anderer zu eigen zu machen und von dem Standpunkt aus den Fall aufs zu prüfen. ``Er hat unter uns gestanden, aufrecht als ein Wackerer, zäh festhaltend am Ziel, seine Überzeugung verfechtend ohne Feindschaft gegen eines anderen Meinung'', heißt es in des Rektors Rede am Sarge des Entschlafenen und in der des Justizrat Dr. Horowitz:
``Dieser Mann mit der abgeklärten Ruhe und Weisheit des Alters, mit dem goldenen Herzen eines Kindes, er wird stets vor unseren Augen lebendig bleiben, auch wenn seine sterbliche Hülle unseren Blicken entrückt ist.''

An äußerer Anerkennung seiner vorgesetzten Behörde hat es ihm nicht gefehlt. Erwähnt seien hier die Ernennung zum Geh. Regierungsrat und die Erteilung mehrerer Orden. Wenn ihm alles dies gewiß viel Freude verursacht hat, die größere Genugtuung bereiteten ihm die vielen Beweise der Liebe und Verehrung seiner Kollegen und Amtsgenossen und deren Allgemeines Vertrauen in seine Persönlichkeit.


Auch seine Betätigung als Schriftsteller darf hier nicht unerwähnt bleiben. Adolf Pinner hatte eine leichte Feder, sein Stil war durchsichtig und klar und jedem nur leidlich aufmerksamen Leser zugänglich. Er trug sich in seinen jüngeren Jahren mit großen Plänen. Seine Absicht war, ein umfangreiches Lehrbuch von Limprichts und dem Unvollendethleiben dem Kekuleschen Werks ein allgemeines Bedürfnis sich geltend gemacht hatte. Gar viele Steine hatte er zu dem Bau schon zusammengetragen, nach dem in seinem Nachlaß noch befindlichen Manuskript zu urteilen. Das Erscheinen des Beilstein hat ihm den Wind aus den Segeln genommen. Seine Arbeit hat ihm aber dennoch reiche Früchte eigentragen. Er steckte seine Ziele etwas näher und schrieb die Repertorien der anorganischen und organischen Chemie, womit er einen von den Studenten längst gefühlten Mangel aufs glücklichste beseitigte. Nicht nur fanden die Bücher eine günstige Aufnahme bei der deutschen studierenden Jugend, sie fanden auch im Auslande die ihnen wegen der Reichhaltigkeit auf knappstem Raum und der Klarheit und Durchsichtigkeit der Sprache gebührende Aufnahme. Zehn bezw. elf Auflagen der beiden Repertorien in deutscher Sprache und verschiedene übersetzungen in englischer, russischer und japanischer Sprache legen Zeugnis ab von der durch Jahrzehnte sich erstreckenden Beliebtheit seines Werkes. Er ist auch an dem buchhändlerischen Unternehmen ``Das Wissen der Gegenwart beteiligt gewesen. Der 56. Band ``Die Gesetze der Naturerscheinungen'' ist von ihm im Jahre 1884 geschrieben. Ich habe diese Werk jetzt von neuem gelesen und mit Freude ein für den Laien immerhin nicht leicht verständliches Kapitel so mundgerecht entwickelt gesehen. Erwähnt sei noch der kleine Aufsatz ``Chemisches aus der Bibel''.

Von der Monographie über die Imidoäther ist schon oben die Rede gewesen. Auch hier zeigt sich der Vorteil seiner Schreibweise und zugleich der bescheidene Sinn des Verfassers, der ängstlich darauf bedacht war, nur das ihm Zukommende für sich in Anspruch zu nehmen und das, was andere darin getan, beileibe nicht zu verdunkeln.

Aus Anlaß der Einweihung des Hofmanhauses im Jahre 1900 verfaßte er die Festschrift zur Geschichte des Hauses, womit er den Chemikern und zumal uns älteren Fachgenossen eine große Freude bereitet hat. Einige Jahre hindurch war er auch alleiniger Verfasser der Auszüge aus den in den neuesten deutschen Zeitschriften ergeltlich geübt, während heute recht erkleckliche Summen dafür verausgabt werden müssen. Freilich haben diese Arbeiten seitdem auch einem Umfang angenommen, den heute zu bewältigen dem einzelnen nicht mehr möglich sein würde. Immerhin zeigt sich auch hier, wie selbstlos er seines Amtes als Schriftführer gewaltet hat.


Kollege Gabriel schließt seine im Namen des Vorstandes am Sarge der Entschlafenen gehaltene Rede mit den Worten ``Mögen dem Vorstand dieser Gesellschaft nie Männer fehlen so kenntnisreich, selbstlos und rastlos wie Adolf Pinner''. Mit diesen Worten wollen wir von dieser anima candida, in des Wortes schönster Bedeutung, Abschied nehmen. Adolf Pinner wird allen, die ihm nahe gestanden haben, oder die auch nur vorübergehend mit ihm in Berührung getreten sind, unvergessen bleiben. Möchte sein Andenken auch den jüngeren Fachgenossen nicht verloren gehen, denn sein Leben ist köstlich und fruchtbar gewesen und nach vielen Richtungen geeignet, zum Vorbild für sie zu dienen!

Wannsee, im November 1909.

G. Kraemer.


Adolf Pinner.

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